Andreas Mühe
„Vater Körper Kind — Mensch Macht Mneme“
01.12.2019 - 5.4.2020
Andreas Mühes ästhetische Wahrnehmung ist von der Welt des Theaters, der Inszenierung und der Verwandlung geprägt. Die Werke des 1979 in Karl-Marx-Stadt geborenen und heute in Berlin lebenden Künstlers beschäftigen sich mit Stimmungsklischees der Deutschen, Überhöhungen, Inszenierungen und Brechungen des Machtvollen. Er unterwandert seine Bilder, stürzt Bedeutungen und zerstört Erwartungen. Bestehende soziale Ordnungen werden von ihm neu arrangiert, Hierarchien bagatellisiert und Autoritäten um- bzw. weggedreht. Seine Tätigkeit findet im Verborgenen statt, denn er untergräbt Bedeutungen, verändert ihren Sinn und wechselt in den Perspektiven. Offene und versteckte Propaganda münzt er um, ordnet Gruppen in ungewohnten Formationen. Diversion ist sein Geschäft und in Subordination ist er geübt. Er beherrscht die Sprache der Macht und der Mächtigen und führt sie in seinen Bilderwelten vor, indem er sich ihrer perfektionierten Ideologie bedient. Zwischen der Mauerschau, einem Begriff aus dem Theater, bei der Schauspieler Dinge beschreiben, die sie angeblich sehen und die sie in die Lage versetzen, gleichzeitig ablaufende Ereignisse auch zugleich zu behandeln, und dem sogenannten Botenbericht, der vergangene Vorgänge in die Gegenwart holt, wechselt er mühelos. Sein Ziel ist, die Macht der Bilder im Auge des Betrachters zu zerstören.
Die Ausstellung im Kunstverein Augsburg vereint Fotografien aus Werkzyklen der vergangenen Jahre mit ganz aktuellen: Die Protagonisten des Zyklus’ „Obersalzberg“ (2012), einer Auseinandersetzung mit propagandistischer Ikonografie und faschistischer Selbstinszenierung, posieren in derselben Haltung einmal in NS-Uniform, einmal nackt. Als Zeichen einer verrinnenden Zeit bildet Mühe für seine Lebensjahre bis 2016 akribisch die Weihnachtsbäume der Familie nach. Die sukzessive Dekonstruktion des Abbilds seines eigenen Kopfes steht in der Schau der aufwändigen Rekonstruktion des Kopfs und des Körpers seines Vaters, des verstorbenen Schauspielers Ulrich Mühe, aus der jüngsten Serie „Mischpoche“ (2019) gegenüber.