Anlässlich des 175. Geburtstages des Zusammentretens der Nationalversammlung in der Paulskirche präsentiert die Galerie Anita Beckers die Ausstellung BRÜDER UND SCHWESTERN des Fotografen Andreas Mühe, die neue Arbeiten und sich noch im Prozess befindende Arbeiten erstmalig zeigt.
Ausstellungsansicht Brüder und Schwestern, Galerie Anita Beckers, Foto: Wolfgang Günzel
…auch ich,
Mitpächter war ich eines Meters Todesstreifen
Bin ich wahr, wenn ich in der Vergangenheit rede?
Von vielem bin ich frei, in nichts von Schuld...
Richard Leising (1934 – 1997) deutscher Lyriker, aus: „Auch ich“
Ausstellungsansicht Brüder und Schwestern, Galerie Anita Beckers, Foto: Wolfgang Günzel
Andreas Mühe, Jahrgang 1979, bekennt sich zu den Taten seiner Vergangenheit, dem ewigen Reigen von Mitläufern, Mitwissern und Mitschweigern.
Nicht nur der gemeinsame Todestag der Urgroßeltern im April 1945, festgehalten auf dem Grabstein, der nicht auf dem Friedhof stand, sondern auf dem Feld bei der Scheune, umrahmt von einer Tannenanpflanzung – sie hatten ihren eigenen kleinen Friedhof – war ein Tabu, sondern auch ihre mögliche Exekution durch sowjetische Zwangsarbeiter oder auch Soldaten der Roten Armee angesichts der näher rückenden Front und die später folgende Verweigerung für den Großvater, die Leichen auf dem Friedhof des Ortes begraben zu dürfen. Die Familie, erst in der Sowjetischen Besatzungszone, dann in der späteren DDR lebend, schwieg dazu.
Ausstellungsansicht Brüder und Schwestern, Galerie Anita Beckers, Foto: Wolfgang Günzel
Meinen Urgroßeltern Anna und Gottlob Hahn, gemeinsam 1945 ermordet von Russen, wurde die letzte Ruhe auf dem Friedhof im Osten Deutschlands verweigert.
Die in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe töten sich in der Nacht des 18. Oktober 1977 und finden auf dem Dornhaldenfriedhof Stuttgart eine gemeinschaftliche Ruhestätte.
Der NSU-Terrorist Uwe Mundlos aus Jena erschießt nach einem Banküberfall in Eisenach am 4. November 2011 seinen Mittäter Uwe Böhnhardt, steckt das gemeinsame Versteck – ein Wohnmobil – in Brand und tötet sich selbst. Das dritte Mitglied dieser Terrorgruppe, Beate Zschäpe, zündet die gemeinsame Wohnung in Zwickau an, versucht erst zu fliehen, dann sich zu stellen, um in einem fünfjährigen Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt zu werden. Die Eltern der Mörder haben es schwer, ein Grab für ihre Kinder zu finden.